Rossfeld-Panoramastraße: deutsche Straße auf Österreichs Grund

Den Fußgängern auf der Rossfeld-Panoramastraße ist angesichts des grandiosen Bergpanoramas mit dem Hohen Göll wohl nicht bewusst, dass sie gerade österreichisches Staatsgebiet betreten (Foto: Hedwig Meindl)
Den Fußgängern auf der Rossfeld-Panoramastraße ist angesichts des grandiosen Bergpanoramas mit dem Hohen Göll wohl nicht bewusst, dass sie gerade österreichisches Staatsgebiet betreten (Foto: Hedwig Meindl)

Warum der Bundesrepublik Deutschland ganz legal ein kleines Stück Österreich gehört, wie formlos in der Ostmark Straßen auf Privatgrund errichtet wurden und warum es für weniger als einen Straßenkilometer einen eigenen Staatsvertrag gibt, verrät dieser Grenzfall am 5. Dezember 2012, auf www.salzburg.at, der Plattform für die Europaregion, veröffentlicht wurde.

Blickt man vom Salzburger Salzachtal bei Kuchl west- und aufwärts in Richtung Gasteig, kann man bei guter Sicht an der scharfen Geländekante am Horizont deutlich Straßenbefestigungen ausmachen. Bei der Straße, die da ins Salzburgische ragt, handelt es sich um die höchstgelegene Panoramastraße Deutschlands, die rund 100.000 Besucher pro Jahr unmittelbar in die hochalpine Bergwelt des Berchtesgadener Landes führt.

Pläne, das zwischen dem Salzachtal und dem Tal der Königssee-Ache gelegene Rossfeld mit einer Straße zu erschließen gab es seit den 1920er Jahren. Die „Deutsche Alpenstraße„, eine 450 Kilometer lange Ferienstraße, die vom Berchtesgadener Land durch Oberbayern und das Allgäu bis an den Bodensee führt, sollte damit eine spektakuläre Krönung bekommen. Als letztes östliches Teilstück war die Strecke von Berchtesgaden nach Salzburg vorgesehen, die Alpenstraße im Süden der Landeshauptstadt hat daher ihren Namen.

Ungefragt durch die Almwiese

1938 setzten die Bauarbeiten gleichzeitig auf der Nord- und Südauffahrt zum Rossfeld ein und kamen nach einem flotten Start kriegsbedingt bald zum Erliegen. Keine Rolle spielte bei der Trassenführung, dass ein kurzes Teilstück über das Gebiet der inzwischen angeschlossenen „Ostmark“ führte. Die Almwiesen an der Wasserscheide entlang des „Hahnenkamms“ des Rossfelds bieten ein atemberaubendes Panorama ins Salzachtal bis hin zum Dachsteinmassiv. Das wollten sich Touristiker und Straßenplaner nicht entgehen lassen.

Die Grundbesitzer wurden da nicht lange gefragt, es gab weder eine Enteignung noch eine Entschädigung„, erinnert sich der jetzt 86jährige Georg Wieser, der damals als „Hiatabua“ die Viehherden versorgte. Die Heuernte war wertvoll, weshalb im steilen Gelände sogar mit Steigeisen und Sensen gemäht wurde. Wenig Freude bereitete den Bauern auch, dass beim Bau Steingeröll auf die Almwiesen stürzte.

Aussichtsstraße mit eigener Rechtsform

Erst lange nach dem Krieg, war es wieder soweit, dass an eine Fertigstellung der Aussichtstraße gedacht werden konnte – schließlich fehlten nur noch 800 Meter der Scheitelstrecke. Allerdings war eine überörtliche Verkehrsbedeutung der Straße schwer zu argumentieren. Um zu Bundesgeldern zu kommen, wurde deshalb kurzerhand die einzigartige Rechtsform der Bundesprivatstraße erfunden.

Ab 1953 wurde die Scheitelstrecke fertig gebaut, für die 1955 eröffnete Höhenringstraße musste Maut entrichtet werden. Um diese Zeit wurden auch die Grundbesitzer für die „Inbesitznahme“ von 1938 entschädigt bzw. die Straßengrundstücke abgelöst, den Bauern wurde Mautfreiheit zugesichert.

Salzburger Geometer vermaßen die Grundstücke neu, für die auf österreichischem Hoheitsgebiet liegenden Straßengrundstücke wurde die Bundesrepublik Deutschland 1959 privatrechtlich als Eigentümerin im Grundbuch beim Bezirksgericht Hallein eingetragen.

Auch aus österreichischer Sicht „hinter“ der Straße gelegene Grundstücke beim aussichtsreichen Ahornbüchsenkopf gehören zwar zu Österreich, stehen jedoch im Besitz deutscher Almbauern. Der Parkplatz dort liegt ebenfalls ganz in Österreich.

Staatsvertrag für Streusalz und Bankettbepflanzung

Doch die paar hundert Meter Straße auf österreichischem Hoheitsgebiet bedurften damals einer präzisen völkerrechtlichen Absicherung. In einem seit 1967 gültigen Staatsvertrag gestattet Österreich der Bundesrepublik die Benutzung und Erhaltung des Straßenteils auf österreichischem Staatsgebiet. In der grauen Vorzeit des freien Warenverkehrs wurde auch festgehalten, dass Streusalz und Straßenrandbepflanzungen ohne Zoll auf den in Österreich gelegenen Teil der Straße gebracht werden durften.

Ostblock-Erinnerungen werden wach, wenn man aus heutiger Sicht die Vertrags-Regelungen zum Personenverkehr liest: „Der Durchgangsverkehr ist ohne Aufenthalt durchzuführen.Ein vorübergehender Aufenthalt auf der Scheitelstrecke sowie auf anliegenden Rastplätzen nördlich und bis zu einer Tiefe von 50 m südlich der Scheitelstrecke von Personen, die nur Reisebedarf mit sich führen, steht dem nicht entgegen.

Bundeswehrjungsoldaten, die im nahegelegenen Skigebiet ihre Alpinausbildung erhielten, wurden dringend angehalten, auf der Scheitelstrecke ja nicht auf österreichisches Gebiet zu gelangen, um diplomatische Verwicklungen zu vermeiden. An der den meisten „Durchreisenden“ wohl kaum bewussten Grenze, wurde sogar eine Zollunterstandhütte errichtet.

Durch die Grenzöffnung 1998 im Gefolge des Schengener Abkommens wurde sie der Bischofswiesener Straßenmeisterei „vermacht“. Die weißen Grenzsteine sind auch heute noch sichtbar. Für die Anlieger sind die Vorgänge inzwischen Geschichte, die Zusammenarbeit mit den Straßenerhaltern verläuft reibungsfrei.

Quelle: Landeskorrespondenz Salzburg 5.12.2012

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